Sælde und êre - Mittelalterliche Musik

Musik im Mittelalter

Der Kanzler lauscht den Klängen von Fidel und Flöte - Codex Manesse

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Epochen mittelalterlicher Musik

Die Musikwissenschaft unterscheidet drei Epochen, die für die Entwicklung der mittelalterlichen europäischen Musik maßgeblich zeichnen:

  1. Die Zeit der Gregorianik reicht bis etwa 1100; in ihr herrscht einstimmige Musik vor.
  2. In der daran anschließenden Notre-Dame-Epoche (12. - 13. Jahrhundert) entwickelte sich die Musik hin zur Mehrstimmigkeit.
  3. Diese Tendenz wurde in der Ars Nova (etwa 1300 - 1450) in Form der Fort- und Neuentwicklung unterschiedlicher Stile weitergeführt.

Wenn wir jedoch von mittelalterlicher Musik sprechen, dann müssen wir immer auch zwischen sakralen Formen und solchen der profanen Unterhaltung (weltlicher Musik) unterscheiden. Erstere treten uns noch heute in Chorälen beeindruckender Schönheit entgegen, wie sie von zahlreichen Ensembles dargeboten werden. Der Bestand an Notenmaterial über die damalige weltlicher Musik dagegen ist bedeutend geringer. Vieles lässt sich bestenfalls aus Abbildungen oder literarischen Quellen erschließen. So kann eine heutige Aufführung mittelalterlicher Musik bestenfalls eine Annäherung an damaliges Liedgut darstellen.

Sakralmusik:

Sakrale Musik in Form des geistlichen Gesanges, deren Dokumentation um 600 n.Chr. einsetzt, gehörte und gehört immer noch zum liturgischen Geschehen in der Messe und dient dem Zwecke Gott zu verherrlichen. Der gregorianische Choral ist einstimmig, die Textsprache Latein und war Bestandteil der Messliturgie und des Stundengebetes (Offizium). Kirchenlieder in der Umgangssprache gehörten nicht zu den fixen Bestandteilen der christlichen Liturgie. Allerdings war es üblich, dass sich das Volk zu bestimmten Festen (Karwochen-, Oster-, Weihnachtsliturgie) mit beispielsweise deutschsprachigen Gesängen beteiligte.

Die Notation der Musik erfolgte seit der Mitte des 9.Jhdt. durch sogenannte Neumen, bei denen es sich um Symbole handelt, mit denen der Melodieverlauf über dem Text angegeben werden konnte und die somit Vorläufer unserer modernen Notenschrift darstellen.

Neumennotation im Graduale des Antiphonars von St. Peter - um 1160 in Salzburg entstanden.

Seit dem 9. Jahrhundert setzte auch die Entwicklung der europäischen Mehrstimmigkeit (Organum) ein. Einer der Ersten, der es unternahm Regeln für das gleichzeitige Erklingen mehrerer Gesangsreihen aufzustellen, war Hucbald von Saint-Amand. Dies geschah in teilweiser Anlehnung an antike Traditionen, die zu jener Zeit durch die Schriften der Boethius zum Gegenstand gelehrter Studien geworden waren. Aber auch Erfahrungen aus dem Instrumentalbereich flossen ein. Dabei wurde vorerst einer Hauptstimme eine zweite Stimme hinzugefügt, die sich im festen Abstand (Quinte) zur Hauptstimme bewegt. Dabei konnte auch die Orgel in selber Weise begleiten. Die hinzutretende Stimme sollte also ursprünglich den einstimmigen Gesang nur verstärken. Bis zum 11. Jahrhundert begannen Komponisten weitere Stimmen hinzuzufügen und sich von der starren Intervallbindung zu lösen; jetzt erst entwickelte sich die eigentliche Mehrstimmigkeit in unserem modernen Sinn.

Bestandteile der christlichen Liturgie waren die gesungenen Messe, Hymnus, Tropus und ursprünglich auch der Conductus, der Geleitgesang für den Lektor beim Gang zum Lesen, dessen Blütezeit das 12. Jahrhundert darstellte. Wiewohl manche Messteile bedeutend älter sind (wie das Sanctus, das bereits um 120 n.Chr. nachzuweisen ist oder das Kyrie, das als einziger heutiger Messbestandteil in Griechisch abgefasst ist), wurden die meisten doch im Zeitrahmen vom 10. bis zum 13. Jahrundert aufgenommen - zuletzt das Agnus Dei.

Nachgewiesenermaßen gibt es bereits um 800 n.Chr. Übersetzungen der liturgischen Gesänge und Kirchenlieder in die Volkssprache (Murbacher Hymnen in althochdeutscher Sprache) und es wird angenommen, dass Messen tatsächlich in der Volkssprache gefeiert wurden.

Im Hochmittelalter entstanden komplette Gesangbücher mit liturgischen Gesängen, die jedoch nicht für die Gemeinde, sondern für den Chor gedacht waren. Auch wurde mit musikalischen Spielen geistlichen Inhaltes erste Vorformen des Theaters entwickelt. Mehrstimmige Kompositionen wie jene von Magister Perotinus, der als bedeutenster Komponist der Notre-Dame-Schule gilt, erlangten Berühmtheit

Weltliche Musik:

Über die Anfänge der weltlichen Musik besteht eine wesentlich schlechtere Überlieferungssituation. Immer schon wird es eine Tradition der Volksmusik gegeben haben, also Gesang und Musik, durch welche sich die Menschen ihre eintönige und schwere Arbeit auf den Feldern erträglicher gestalteten oder sich bei den Festen bei Tanz und Geselligkeit unterhalten ließen. Doch darüber wissen wir, da keine Aufzeichnungen vorhanden, kaum Bescheid. Allenfalls können wir auf eine gewisse Fortführung antiker bzw. germanischer Traditionen schließen.

Erst mit dem Auftreten der provenzalischen Troubadoure (auch Trobador bzw. Trouvere, als seine nordfranzösische Entsprechung) erweitert sich unsere Kenntnis über die weltliche Musik, da aus dieser Zeit erstmalig gesichertes Notenmaterial überliefert ist. Allerdings ist die Musik der Troubadure und jene der deutschsprachigen Minnesänger keine Volks- sondern höfische Musik. Sie wird an den Höfen der Herren von Künstlern aufgeführt, die vielfach selbst dem adeligen Stand angehören. Ja, selbst mancher Fürst oder Hochgestellte, wie etwa Kaiser Heinrich oder der Burggraf von Regensburg, versucht sich in der Kunst des Minnesanges und im mittelhochdeutschen Nibelungenlied spiegelt sich in der Figur des Volker von Alzey das hohe Ansehen des aristokratischen Spielmannes und Sängers wider.

Obwohl im Minnelied nur eine begrenzte Anzahl von Motiven begegnet, unterscheiden sich die einzelnen Lieder doch durch Anordnung und Betonung der einzelnen Motive. So entstehen verschiedenen Genres, die überdies länderspezifische Unterschiede aufweisen können. Der um 1160 einsetzende donauländische Minnesang etwa scheint von einer gewissen Eigenständigkeit, spielen doch darin sogenannte Frauenlieder oder Frauenklagen eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich Lieder, in denen eine von ihrem Geliebten getrennte oder verlassenen Dame ihr Schicksal beklagt (siehe beispielsweise das berühmte Falkenlied des Kürenbergers). Dass darin eine Frau als Sprecherin auftritt, bedeutet aber nicht, dass hier die Verfasserin zu uns spricht. Vielmehr waren es fast ausschließlich Männer, welche diese Lyrik schufen; während etwa in der Provence Dichterinnen nachgewisen sind, ist dies im deutschsprachigen Raum nicht der Fall.

In Südfrankreich und im christlichen Norden Spaniens wurde das Konzept der höfischen Liebe oder auch Minnedienstes entwickelt. Diese Ideen gelangten über Nordfrankreich beziehungsweise Italien in den deutschsprachigen Raum, um hier von den Minnesängern als das übernommen zu werden, was wir unter der Bezeichnung klassischer Minnesang kennen. Darin ist es nun keine verlassene Dame mehr, die ihren Schmerz bejammert, sondern nun steht der Mann, der seiner höhergestellten, meist unerreichbaren und oft auch gleichgültigen Minnedame dient, im Mittelpunkt dieser sogenannten Männerlieder.

Schließlich existiert auch noch die Pastourelle als Gattungsform, in der es zur Begegnung zwischen einem Mann von höhererm Stand und einem Mädchen niederen Standes - meist eine Schäferin oder ein Bauernmädchen - kommt. Verführung oder zumindest der Versuch dazu sind charakteristisch für diese Gattung.

Minnelieder wurden sicherlich an den Höfen von Musik begleitet vorgesungen; doch haben manche auch den Charakter von Tanzliedern. Darum darf man vermuten, dass sie eventuell auch auch Märkten und Volksfesten gesungen und gespielt wurden. Noten der Lieder sind nur in seltenen Ausnahmefällen überliefert. Es scheint aber, dass zumindest manchmal die gleichen Melodien für geistliche und weltliche Stücke verwendet wurden. Wer im Normalfall die Vortragenden dieser Minnelieder waren, die Autoren selbst oder profesionelle Sänger, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Wahrscheinlich wird dies von Fall zu Fall verschieden gewesen sein.

Nicht alle Minnesänger waren von adeliger Herkunft. Von manchen ist zu wenig bekannt, und so lässt sich über ihren Stand keine genaue Aussage treffen, sind doch selbstgetätigte Aussagen in ihren Werken nicht immer eindeutig zu interpretieren. Jedenfalls wissen wir, dass neben adeligen Künstlern sich auch solche aus dem geistlichen Umfeld in der Liedkomposition versucht haben (z.B. der sogenannte Mönch von Salzburg).

Natürlich gab es auch die vielen Spielleute, die bei großen höfischen Festen aufspielten, und die nichtadeliger Herkunft waren; dementsprechend geringer war auch ihr soziales Ansehen. Gleichwohl wurden sie gerne vernommen und, wenn begabt, ob ihrer propagandistischen Möglichkeiten geschätzt. Alle diese Künstler suchten und manch einer fand auch tatsächlich sein Unterkommen bei einem adeligen Herren, dessen Wohlwollen er sich mit Lobessprüchen zu erhalten suchte. Man denke da nur an das lebenslange Zurücksehnen Walthers (der vermutlich von adeliger Geburt war) an den Wiener Hof, wo er jahrelang unter dem Babenberger Herzog Friedrich I. sein Auskommen gefunden hatte ... Zum Fahrenden Volk gehörten auch Frauen, die spilwip , und es ist denkbar, dass diese bei Aufführungen die weiblichen Abschnitte in den Liedern vorgetrugen.

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