Sælde und êre - Mittelalterliche Musik

Saiteninstrumente in der mittelalterlichen Musik

Spielmann mit Geige, Fensterdarstellung aus der gotischen Pfarkirche Weiten bei Melk, um 1420

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Zur Unterscheidung von Saiteninstrumenten ...

Saiteninstrumenten gehören neben Flöten und Schlaginstrumenten zu den ältesten nachgewiesenen Instrumenten. So spielten Leier und Harfe wichtige Rollen im musikalischen Leben verschiedener nicht nur klassisch antiker vorchristlicher Kulturen und wurden bzw. werden in teils primitiver Konstruktion über die ganze Welt verstreut eingesetzt. Geschätzt in Ägypten und Meso- potamien, finden sich dort aber bereits vor etwa 5000 Jahren hochentwickelte Bauformen.

Charakteristisch ist bei dieser Art von Saiteninstrumenten, dass ausschließlich leere Saiten zum Einsatz kommen, dass also anders als etwa bei Laute, Violine oder der jüngeren Gitarre keine Saiten mit den Fingern abgegriffen werden. Daher erzeugt jede Saite nur genau einen Ton (soferne keine Mechanismen zur Verstimmung vorgesehen sind), was die Anzahl der spielbaren Töne auf die Saitenanzahl begrenzt. Psalterium und Hackbrett gehorchen ebenfalls diesem Prinzip, wenn sich auch Haltung und Spielweise der einzelnen Instrumente unterscheiden.

Den angeführten Instrumenten stehen andererseits Instrumente mit Bünden gegenüber. Bei diesen werden die unterschiedlichen Töne durch den Andruck der Saiten gegen ein Griffbrett abgegriffen, das mit einer Reihe von Bünden versehen ist. Dazu zählen alle lautenartigen Bauformen, deren erste bekannte Bauformen - kleiner Korpus, langer Hals mit zahlreichen Bünden, aber nur zwei Saiten - sich etwa 4000 Jahre weit nach Mesopotamien zurückdatieren lassen. Die Laute selbst besaß in zahlreichen Kulturen, in China und in den islamischen Ländern, über die es Eingang nach Europa fand, einen hohen Stellenwert.

Engel mit Knickhalslaute, Pfarkirche von Trofaiach, um 1460

Speziell im abendländischen Bereich entwickelte sich während des Mittelalters ein verblüffend breites Spektrum von lautenähnlich- en Instrumenten, denen aber allesamt eine ähnliche Zupftechnik und das mit Bünden versehene Griffbrett gemein waren. Gespielt wurden sie während des Mittelalters mit dem Plektrum, die Fingerzupftechnik kam erst während der Renaissance auf. Auch scheint es so zu sein, dass man diese Instrumente damals nicht akkordisch gebrauchte, sondern zur Wiedergabe der einstimmigen Melodienstimme.

Schließlich könnte man noch jene Bündeinstrumente gesondert betrachten, bei denen die Töne durch das Streichen mit einem Bo- gen zum Klingen gebracht werden - Fidel und Rebec, Streichleier und Trumscheit. Die Besonderheit dieser Instrumente liegt nicht so sehr in ihrer Bauart, schließlich lässt sich die Geige auch Zupfen und das Prinzip der Änderung der klingenden Saitenlänge ist ident mit anderen Instrumenten mit Griffbrettern, sondern in der Spielweise, die zwischen 11. und 12. Jahrhundert einen erstaun- lichen Siegeslauf antrat. Vorerst nur auf bekannte Instrumententypen angewendet, entstanden dann während des 12. und 13. Jahrhunderts in europa spezielle Instrumentenbauformen für diese Art der Tonerzeugung.

Will man die Verwendung des Streichbogens zurückverfolgen, so deuten Indizien auf die Entwicklung dieser Spielweise im 9. Jahr- hundert in Zentralasien hin. Von dort erfolgte die Verbreitung in den islamischen und byzantinischen Raum, danach (etwa ab dem 11. Jahrhundert) auch nach Europa. Da zeitgenössische europäische Darstellungen lange, stabartige Plektra zeigen, die auch zum Anstreichen der Saiten und nicht nur zum Zupfen geeignet wäre, vermuten Mustikhistoriker im Plektrum den Vorläufer des Streich- bogens.

Sei es wie es sei. Eine Klassifizierung der zahlreichen Instrumententypen, die im Mittelalter zum Einsatz kamen, unter Heranziehung von Quellen, schriftlichen oder in Form von Plastiken und bildnerischen Darstellungen, ist in vielen Fällen unmöglich. Schließlich stellen viele Abbildungen den Musicus nur in stilisierter, vereinfachter Form dar, so dass kaum Details in den Darstellungen verwen- deten Instrumente erkenntlich werden. Andererseits finden sich in den schriftlichen Quellen bei unterschiedlichen Autoren unter- schiedliche Bezeichnungen für das selbe Instrument, jedenfalls hatte sich noch keine eindeutigen Bezeichnungen durchgesetzt (wie dies vermehrt seit der Renaissance der Fall wurde). So finden sich ein Dutzend recht unterschiedliche Fideltypen, für die die mittelalterlichen Autoren ziemlich wahllos Bezeichnungen aus einem Kanon von Möglichkeiten heranzogen ('viella, fidula, lira, rebac, rubebe, giga, ...').

Andererseits bezeichnete der Begriff 'lyra' vor dem 10. Jahrhundert noch ausschließlich die Leier, wurde jedoch im weiteren Verlauf des Mittelalters auf so verschiedene Instrumente wie den Rebec, die Harfe und die Laute angewandt, um in der Renaissance noch eine Erweiterung des Bedeutungsumfanges zu erfahren. Sollten also damnächst Zeitreisen erschwinglich werden, dann würden, nach Absolvierung des sechsmonatigen Überlebenskurses, wohl auch eine Menge von Musikhistorikern mit an Bord sein, um derart strittige Fragen aus der Welt zu räumen ...

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