Sælde und êre - Arbeitsgruppe Musik

Die Fidel - Vorläuferin unserer Geige und einst mindestens ebenso beliebt wie diese ...

Was wäre denn ein Orchester, wenigstens ein solches großes simphonisches, das sich der Wiedergabe der Musik der Klassiker befleißigt, wenn es denn nicht eine ganze Reihe von Saiteninstrumenten in seinen dichtgedrängten, nicht selten befrackten Reihen wüsste! Was da synchron an Saiten gestrichen und dann und wann auch schon mal gezupft wird, verwöhnt den Hörer nicht nur klanglich, sondern auch visuell. Und unter all diesen vibrierenden Instrumenten ist die Geige zweifelsohne die unumstrittene Königin und ist der erste Geiger so etwas wie der Schattenpremier des Kollektivs!

Zwei Musiker mit Fidel und Gittern (einer Vorform der Gitarre) - Illustration aus der Cantigas de Santa Maria, 2. Hälfte des 13. Jhdt.

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Das alleine müsste uns schon Grund genug sein, um der Geschichte der Geige - oder sollte es doch eher Violine heißen? Und wie liegen die Verwandtschaftsverhältnisse, etwa zum Cello oder zur Bratsche? Zur Bratsche? -, die Geschichte und Herkunft ein wenig zu beleuchten. Vor allem deshalb, da die Geige doch als eines der wichtigsten Instrumente der mittelalterlichen Musik gilt.

Sicherlich nicht zu Unrecht. Schließlich scheint die Geige in allen Bevölkerungsschichten Popularität genossen zu haben - immerhin hören, oder vielmehr lesen wir von ihrer befeuernden Wirkung bei bäuerlichen Festen ebenso wie von ihrem Einsatz durch Gaukler und Spielleute am höfischen Fest. Ja, selbst unter den Bandmitgliedern der himmlischen Heescharen finden sich in schöner Regelmäßigkeit Geiger - die untenstehende Abbildung gibt ja gerade dafür ein Beispiel.

Wenn schon diese Tatsachen kaum bestreitbar erscheinen, so mag der eine oder andere von euch, der mit der Klassik nicht allzuviel am gefilzten Hut hat, zumindest die aktuelle Wichtigkeit des Instruments bezweifeln. Doch selbst dann, wenn derjenige keinen magyarischen Teufelsgeiger, keinen englischen Meisterdetektiv oder - Gott behüte! - enthustiastischen Anfänger zum unmittelbaren Wohnungsnachbarn hat, kann er sich zumindest samstagabends von im Dreivierteltakt daherschunkelnden Saitenklängen verwöhnen lassen.

Und selbst der selige Duke Ellington, einer, den man nun wahrlich nicht in den Generalverdacht der Aufführung allzu seichter Musik stellen könnte, verschmähte in seinen exquisiten Bigbands keinesfalls den wiederholten Einsatz jazziger Violinenklänge. Doch damit schweifen wir zweifelsohne bereits zu weit vom Thema ab; lasst uns also zurück kommen zur Herkunft ...

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Ein paar Worte also zu Herkunft und Ausbreitung ...

Zuerst sei gewarnt: Für einen Laien auf dem Gebiet gibt es eine Vielzahl von Bezeichnungen, die unterschiedliche, jedoch verwandte Streichinstrumente meinen; manche dieser Begriffe beziehen sich auf historische Formen, auf volkstümliche Instrumente oder aber werden - um die Verwirrung zur vervollständigen - synonym gebraucht. Um dies zu erkennen, brauchen wir ja bloß aktuell an Violine, Geige oder eben Fidel denken - letztere häufig auch als Fiedel geschrieben. Oder an die fremdsprachigen Begriffe violin, viola, fiddle, ...

Im Mittelhochdeutschen finden sich die Schreibweisen giga, fidel und wohl auch die lira (in der Form mit Hals), für diverse Saiteninstrumente, die gestrichen (aber natürlich auch gezupft) werden können. Wenden wir uns der etymologischen Herkunft der Bezeichnungen zu, so finden wir das althochdeutsche fidula (9.Jhdt.), das durchaus germanischer Herkunft sein könnte, und das mittelhochdeutschen, noch häufig in der der v-Schreibweise wiedergegebene videl(e).

Ein Engel spielt die Fidel - Ausschnitt aus einem Tryptichon des Hans Memling, um 1490

Da das mittelhochdeutsche Verb videlen (fiedeln) ja häufig soviel wie 'zum Tanz aufspielen' beinhalten konnte, und Tanz meist mit Vergnügen gleichzusetzen ist (außer im Anfängerkurs der Tanzschule), läge eine Verbindung mit dem heute noch gebräuchlichen Adverb 'fidel' also 'lustig und vergnügt sein' nahe. Doch aufgepasst, nicht immer ist das Naheliegende auch stimmig. Und so dürfte fidel wohl eher vom lateinischen 'fides' herrühren, denn vom Saitenspiel und somit auf den Bedeutungsstamm 'treu, zuverlässig' verweisen. Seltsam eigentlich ...

Die Fidel und der birnenförmig gestaltete Rebec (dessen Name auf arabische Wurzeln zurückgehen dürfte) waren wohl die gebräuchlichsten Streichinstrumente des Mittelalters. Wobei die Entstehung des Streichbogens, wie bei so vielen anderen musikalischen Innovationen auch, ursprünglich außerhalb Europas vonstattenging - vermutlich irgendwann während des 8. oder 9. Jahrhunderts in Zentralalsien. Angenommen wird, dass diese ersten Bögen eine Entwicklung aus dem älteren Plektrum sein könnten, wo doch etwa ältere europäische Abbildungen lange stabähnliche Plektren darstellen, die ebensogut zum Anreiben der Saiten wie zum Streichen Verwendung finden konnten.

Denkbare wäre also eine Übergangsphase, in der solche Plektra sowohl zum Zupfen und Anschlagen als auch zum Streichen verwendet wurden, um derart unterschiedliche Klänge zu erzeigen, ehe die Weiterentwicklung zum Bogen mit Pferdehaar eine Verbesserung der Phrasierungsmöglichkeiten mit sich brachte - vielleicht mit dem Ziel, eine Instrumentenspielform zu entwickeln, welche die menschliche Stimme zu imitieren vermochte, schließlich verleiht der Bogen den Saiteninstrumenten (anders als in der gezupften Form) die Fähigkeit die Töne auszuhalten. Zudem vermögen Streichinstrumente (anders als etwa Laute und Psalterium) fortlaufende melodische Linien zu spielen.

Die fidelähnlichen Instrumente gelangten wohl über Kontakte mit dem nahen Osten, über Byzanz und das arabische Spanien (vielleicht vom späten 8. Jahrhundert angehend; so findet sich bei Otfried von Weißenburg im 9. Jhdt neben anderen Musikinstrumentennamen auch die Erwähnung einer fidula) in den europäischen Raum. In weiterer Folge dürfte auch die Mobilität der Spielleute viel zur Verbreitung beigetragen haben.

Erst noch aus einem einzigen Stück Holz gefertigt, was ihnen ein gänzlich anderes Klangverhalten verliehen haben musste als modernen Instrumenten, wiesen sie äußerst unterschiedliche Formen auf - so konnte sie bei abgesetztem Hals rechteck- oder spatenförmig sein, während auch die Anzahl ihrer (Darm-)Saiten von drei bis fünf oder mehr - manche davon als Bordunsaiten ausgeführt, welche der Musiker mit dem Daumen oder dem Bogen zum Klingen brachte - variieren konnte.

Änderungen in der Bauform - etwa den Ersatz des erst sehr stark gekrümmten Bogens durch die uns geläufige flache Ausführung, den Aufbau des Instrumentenkorpus mit seitlichen Zargen und der Verwendung unterschiedlicher Materialien für die Decke (von Leder bzw. Pergament zu Tanne oder Fichte - wie etwa von Konrad von Megenburg um 1350 empfohlen) oder die Einschnürung des Korpus zur 'modernen' Gestalt (mit dem Ziel, damit mehr Bewegungsfreiheit für den Bogen zu ermöglichen - erfolgten im Laufe der folgenden Jahrhunderte.

Änderungen in der Bauform - etwa den Ersatz des erst sehr stark gekrümmten Bogens durch die uns geläufige flache Ausführung, den Aufbau des Instrumentenkorpus mit seitlichen Zargen und der Verwendung unterschiedlicher Materialien für die Decke (von Leder bzw. Pergament zu Tanne oder Fichte - wie etwa von Konrad von Megenburg um 1350 empfohlen) oder die Einschnürung des Korpus zur 'modernen' Gestalt (mit dem Ziel, damit mehr Bewegungsfreiheit für den Bogen zu ermöglichen - erfolgten im Laufe der folgenden Jahrhunderte.

Die Formgebung unserer modernen Violine ('kleine Viola', aus Oberitalien stammend - woher sonst?) war etwa um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts abgeschlossen. Diese und andere Bauformen, die parallel dazu immer noch gebaut und gespielt wurden, wurden danach unter dem Übergriff der Geige zusammengefasst. So warnt etwa Leopold Mozart in seiner 'Violinschule' vor einer Gleichsetzung der beiden Bezeichnungen:

'Das Wort Geige, begreift in sich Instrumente verschiedener Art und Größe, welche mit Darmseyten bezogen sind. Aus diesem erhelt, daß das Wort Geige ein allgemeines Wort ist, welches alle Arten von Geiginstrumenten in sich einschließet; und daß es folglich nur von einem Mißbrauche herrühret, wenn man die Violin platterdings die Geige nennet.'

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