Sælde und êre - Arbeitsgruppe Musik

Der Olifant - 'das' Signalhorn für den Helden ...

Nachdem wir uns auf unserer Seite in unregelmäßigen Abständen auch mit mittelalterlicher Musik beschäftigen und damit insbesondere auch mit dem damaligen Bestand an Instrumenten - denn was wäre denn die Musik schon ohne die vielfarbigen Stimmen all der Blas-, Streich- und Schlaginstrumente -, ist es wieder einmal hoch an der Zeit, dem begeisterten Mittelaltermarktbesucher, LARP-Spieler oder Reenacter eine weitere Möglichkeit zu präsentieren, bei derartigen Ereignissen seine musikalischen Fähigkeiten zu demonstrieren und damit eine angemessene Menge an Aufmerksamkeit von den staunenden Mägdelein zu erhaschen.

Roland versucht sein Schwert Durendal zu zerschlagen und bläst den Olifant - Illustration aus der 'Sammlung von Poesien von Robert von Blois und anderer Stücke', 13. Jhdt.

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Aber was, wenn es an den gelenkigen Fingern fehlt, um die Lautensaiten unter dem Erker der Angebeteten recht artig anzuschlagen? Am geschmeidigen Gefühl, um die Fidel zum herzerweichenden Singen zu bringen? Ja selbst am stampfenden Rhythmusgefühl, um auf mehr einzuschlagen als auf die helmbewehrten Köpfe ungläubiger Heiden, schuppenbewehrte Drachentatzen, die feisten Wänste reicher Pfeffersäcke und andere Schurken? Müsst ihr dann gar zur Gänze auf musikalische Betätigung verzichten?

Nein, sei euch zugerufen; auch wenn ihr rechte Haufestdreins seid, Männer des Streitkolbens, des lieblichen Morgensterns und des Gnadengebers, auch dann ist euch der Zutritt zur wunderschönen Welt der Musik nicht gänzlich verwehrt. Alles was es dann nämlich braucht, ist reichlich Atem und eine starke Halsschlagader, auf dass euch nicht dasselbe widerfährt wie einst dem seligen Roland, der als Neffe und als einer der Paldine Karls des Großen die Nachhut dessen Heeres befehligte, wie uns das altfranzösische 'La Chanson de Roland' berichtet.

Wie so viele Recken seiner Zeit hatte besagter Roland wohl kaum die Zeit, die schwieligen Hände am stundenlangen Gebrauch ohrschmeichelnder Instrumentschaft zu widmen. Was er aber vermochte, das war, sein Horn, den berühmten Olifanten (nein, das ist kein großes graues Tier mit Rüssel!) so kräftig zu blasen, als ihn und die Seinen dereinst bösgesinntes Volk in meuchelnder Absicht überfiel, dass der Kaiser selbst, Meilen entfernt, diesen Ruf nach Entsatz vernahm. Ihm unverzüglich folgte. Und zu Rolands Glück zu spät eintraf, um noch mehr tun zu können, als die Leichen der Erschlagenen zu bergen - andernfalls der wackere Roland ja kaum zu derartigem Heldenruhm aufgestiegen wäre.

Solche Naturhörner, wie besagter Olifant, hatten damals schon und auch danach noch eine lange Tradition: als Signalhörner, bei der Jagd (nicht zuletzt, wie wir alle wissen, auf orkisches Schurkenpack) und als Zeichen hoher Würde und Wertschätzung. Darum auch wollen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte werfen, wohl bewusst, dass derartige Hörner sich nur schwerlich fürs gepflegte Kammerspiel eignen ...

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Ein paar Worte zu Geschichte und Verwendung ...

Der Mensch war immer schon erfindungsreich, wenn es darum ging, die Materialien, die ihm die Natur zur Verfügung stellte, vielfältigen Anwendungen zukommen zu lassen. So darf es nicht verwundern, dass Tierhörner in vielen alten Kulturen als Signalgeber und einfache Instrumente zum Einsatz kamen - denken wir nur an den biblischen Schofar aus Widderhorn, dessen posaunenähnliche Klanggewalt von den Israeliten für die Signalgebung in der Schlacht benützt wurde, aber auch dazu, um die Mauern von Jericho zum Einsturz zu bringen, und der heute noch am jüdischen Neujahrsfest geblasen wird. Eine ähnlich alte Historie dürfte auch das Stierhorn besitzen, der Keren der alten Israeliten

Hörner bieten nur sehr eingeschränkte Tongebungsmöglichkeiten. Versuche, die Lücken zwischen den Naturtönen zu schließen (wie sie etwa auch nur die mittelalterlichen Blechblasinstrumente ohne Züge, Ventile und Grifflöcher zu liefern imstande waren) gab es bald. Einerseits versuchte man Techniken von Blechblas- und Holzblasinstrumenten zu kombinieren, indem man bei den angesprochenen Stier- und Ziegenhörnern die Spitzen entfernte, um so das Einschieben von Mundstücken zu ermöglichen. Damit konnten einige wenige brauchbare Töne im Abstand der Quarte oder der Quinte erzeugt werden.

Orientalisches Elfenbeinsignalhorn (Olifant) - Museum für Islamische Kunst, Berlin

Ab dem 10. Jahrhundert weiß man dann von Hörnern, in denen Grifflöcher so angebracht wurden, dass damit die Erzeugung einer Reihe von aufeinanderfolgenden Tönen und somit auch die Wiedergabe von einfachen Melodien möglich war. (Angeblich wurden noch bis in die jüngste Vergangenheit hinein von skandinavischen Hirten Stierhörner mit drei Grifflöchern hergestellt, auf denen der Tonumfang einer Sexte mit klangender Klanfarbe erzeugt werden kann.)

Trotz dieser Entwicklung von Hörnern mit Griffloch, blieben auch Hörner ohne Bohrungen im Einsatz - und galten dabei nicht selten als Zeichen besonderer, ja königlicher Würde. Als solche stellte man sie aus wertvollen Materialien her - Elfenbein, Gold -, und versah sie häufig mit kunstvoll gestalteten, fein detaillierten Schnitzereien.

Die herausragendste Variante war dabei der bereits erwähnte Olifant, dessen Name vom dem Französischen cor d'olifant rührt, was das Elefantenhorn bedeutet. Vermutlich gelangten derartige verzierte Elfenbeinhörner über Byzanz ins mittelalterliche Europa, wo sie hochgeschätzt wurden und dem Adelsstand zum Zeichen besonderer Würde und Auszeichnung wurden. Obwohl nur wenige Naturtöne darauf zu erzeugen waren (ein bis maximal drei), und obwohl ihre Signalwirkung in der (vor allem französischen) mittelalterlichen Literatur wohl deutlich übertrieben wurde, stellte man derartige Signal noch bis ins 17. Jahrhundert aus Tierhorn her.

Zuletzt wollen wir noch erkunden, wo der berühmteste aller Olifanten zu finden ist - jener des Roland, der über einen unglaublich weitreichenden Klang verfügt, mit dem er Karls Heer zur Umkehr rufen konnte (wenngleich, wie wir bereits erwähnt haben, zu spät). Den gibt es noch. Sogar zweimal. Einmal soll er in der Schatzkammer des St. Veit-Domes in Prag liegen und dort darauf warten, dass wieder einer kommt, der Manns genug ist, um ihn anzusetzen. Zugleich aber findet er sich im Museum der Kathedrale von Santiago de Compostela, ein Umstand, der nicht weiter verwundern sollte, wissen wir doch, dass derartig symbolträchtige Gegenstände, ja sogar die Schädel diverser Heiliger im Laufe der Zeiten manch wunderbare Vervielfachung erfahren ...

So bleibt uns nur zu sagen, Glückauf, ihr Helden, kräftig ins Horn geblasen und tut es damit dem Roland gleich, dem Heimdall auch und auch dem Boromir - aber seid gewarnt, meist (sagt uns die Statistik) endet solches für den Recken letal ...

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