Saelde und Ere - Symbole ... um denn besser zu verstehen!

Gar viel an Bedeutung steckt unter des Apfels Schale ...

Maria mit dem Jesuskind unter dem Apfelbaum, Lucas Cranach der Ältere, 1531

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Bei der Betrachtung mittelalterliche Kunstwerke und Darstellungen, aber auch beim Lesen von Texten aus jener Epoche, findet sich ein reicher Formenschatz an Symbolen. Wir haben an anderer Stelle schon mehrfach darüber berichtet - und uns auch Gedanken darüber gemacht, wie das fehlende Wissen um die Bedeutung derartiger symbolträchtiger Objekte verhindert, dass wir diese alten Kunstwerke in ihrer vollen Bedeutung verstehen und würdigen können. Dabei sprechen wir von einem Verständnis, das im Idealfall über rein ästhetische Gesichtspunkte weit hinausreicht, so wie für den mittelalterlichen Künstler der inhaltliche Aspekt stets (?) über den künstlerischen hinausging ...

Als erstem dieser häufig verwendeten Symbole, die sich in vielfacher Form finden, wollen wir dem Apfel an dieser Stelle einen ei- genen Artikel widmen. Es ist unsere Hoffnung, in weiterer Zukunft und in loser Folge eine gewisse Sammlung derartiger bedeu- tungsträchtiger Objekte zusammenzustellen, ohne dass wir damit den Anspruch erheben wollen - und jemals auch könnten - damit eine ähnliche Informationstiefe zu erreichen wie fachspezifische Publikationen (siehe dazu etwa Metzlers Lexikon literarischer Symbole oder auch das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens oder viele andere). Warum ausgerechnet den Apfel als ers- ten Vertreter auszeichnen, werden vielleicht einige fragen? Nun, beim systematischen Durchblättern derartiger Referenzwerke findet sich das A an führender Stelle! Aber nein, das ist natürlich nicht der einzige Grund für diese Wahl. So eignet sich doch die süße Frucht aufgrund ihrer vielen verschiedenen Bedeutungen ausgezeichnet, um die allgegenwärtige Vieldeutigkeit solcher Sym- bole zu verdeutlichen.

Bevor wir uns aber mit den angesprochenen Bedeutungen beschäftigen, wollen wir vorerst noch einen Blick auf die Etymologie des Apfels tun - schließlich beschäftigen wir uns an anderer Stelle dieser Seite auch ein wenig mit dem Mittelhochdeutschen. Und da mag ein Blick auf die alten Formen durchaus angebracht sein. Der Name der Frucht und des zugehörigen Obstbaumes findet sich in allen germanischen Sprachen (z.B.: ahdt: aphul , mhdt apfel , aengl. æppel , anord epli , usw.). Interessanterweise ist hierbei, an- ders als bei Fruchtsorten, deren Kultivierung mit den Römern in unseren Breitengraden Eingang gefunden hat (Birne, Kirsche), das germanische Wort erhalten geblieben. Wahrscheinlich deshalb, weil sich im nördlichen Europa veredelte Sorten bereits in vorröm- ischer Zeit finden. Für den Apfelbaum geht die Entwicklung vom althochdeutsch Bezeichnung affaltar zum mittelhochdeutschen apfaltar oder afflater (wobei viele Ortsnamen ebendiese Bezeichnungen als Bestandteil in sich tragen); im 13. Jahhundert erfolgt dann die Ablöse durch das 'moderne' apfelboum .

Doch kommen wir zum Symbolgehalt. Da wäre sogleich zu sagen, dass Vieles davon weit über das Mittelalter hinaus in die Vergan- genheit zurückweist - und dennoch für diese Epoche bedeutsam ist. Wird doch die Thematik mittelalterliche Darstellungen zum überwiegenden Teil durch die Bibel und die klassisch griechisch-römische Mythologie bestimmt. Also sollte es nicht verwundern, wenn wir an dieser Stelle auf diese beiden großen Bereiche verweisen. Zugleich sei aber betont, das dem Apfel auch in späteren Zeiten, bis in unsere Gegenwart hinein, in Kunst und Literatur große Symbolkraft zugestanden wurde und immer noch wird. Wer also demnächst eine der süßen Früchte zur Hand nimmt, in der schnöden Absicht diese kurzerhand zu verspeisen, möge sich künftig dieser vielen Bedeutungen bewusst sein ...

... denn der Apfel ist nichts weniger als ein Symbol des Lebens und der Unsterblichkeit! Schließlich finden sich schon im antiken Mythos die goldenen Hesperidenäpfel der Gaia, im äußersten Westen der Welt gedeihend und unglückseligerweise den olympi- schen Göttern vorbehalten, deren Besitz ewige Jugend und Unsterblichkeit verleihen. Eigentlich, müssen wir gestehen, wissen wir nicht wirklich, ob es sich dabei tatsächlich um Äpfel handelt oder nicht vielleicht doch um Quitten - kennt doch das Griechische für beide Fruchtsorten nur die gleiche Bezeichnung melon . Was aber wieder egal ist, denn schließlich bewacht ein scheußlicher Dra- che diese Leckereien und somit haben wir ohnehin das Nachsehen.
Aber nicht nur die Griechen sondern auch die nordischen Völker kennen die Frischhaltewirkung der Wunderfrucht: So beschreibt die Snorra-Edda die goldenen Äpfel der Göttin Idun, deren Attribut auch der Apfelbaum war. Kaum war sie mit ihren wundertätigen Früchten an einen Riesen ausgeliefert, begannen die Götter zu ihrem Entsetzen zu zu altern. Aber keine Angst - zu guter Letzt konnte es Loki wieder einma richten. Bei den goldenen Äpfeln ist durchaus an eine Entlehnung aus dem antiken Mythos zu denken, ähnlich wie bei der irischen Sage von den Wunderäpfeln Hisbernas. Aber auch die Araber kannten die lebensverlängernde Wirkung des Apfels, worüber die sogenannten Apfelbücher dem europäischen Mittelalter Kunde gaben.

Aber halt - Leben und Unsterblichkeit, das hat doch immer auch etwas mit Liebe und Fruchtbarkeit zu tun! Richtig, auch dafür gilt der Apfel als Symbol. Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom Apfel des Paris, der sich - wen wundert's - gegen Macht und Weis- heit für die Liebe aussprach. Der Apfel ist (wie Quitte und Granatapfel) schließlich Aphrodites Attribut, aber auch das der Frucht- barkeitsgättin Demeter. Im Hain der Aphrodite stehen Rosen und Apfelbäume am Wasser.
Auch im Hohelied Salomos stehen mehrfach Äpfel im Zusammenhang mit erotischen Vergleichen - der Freund ist wie ein schöner Apfelbaum, der Schatten und Früchte zu spenden vermag, sein Atem gleicht dem Duft der Äpfel. Später, gegen Ausgang des Mittelalters, wird der Apfel dann auch für sinnliche Lust und Liebe stehen und wenn die Früchte mit einem Ehepaar zusammen dar- gestellt werden, dann bedeuten sie 'brünstig Lieb', denn 'öpfell seind Venus art'.
Erotische Vergleiche, wir flüstern's hinter vorgehaltener Hand, finden sich auch in den höfischen Werken der mittelalterlichen Autoren. Dort wird der Apfel, mit seiner runden Form, gerne zur Beschreibung der weiblichen Brust verwendet, die idealerweise klein und fest sein durfte.

Ja, ja - die brünstige Liebe. Da ist dann die Sünde nicht weit und mit ihr Tod und Verdammnis. Und tatsächlich, der Apfel mag auch dafür als Symbol herhalten. Klar, und an prominentester Stelle steht da der Bericht der Genesis. Adam und Eva kosten von der Frucht der Erkenntnis und erkennen, dass sie nackt sind. Zwar sind die beiden Bäume nicht nach ihren Früchten benannt, aber spätestens im 5. Jahrhundert findet eine Identifikation mit dem Apfel statt. Durch die Vertreibung aus dem Paradies wird der Apfel somit in der christlichen Tradition zum Symbol für Verführung, Sünde und Tod. Verführung und Tod (die Sünde lassen wir weg, schließlich geht's hier um ein Märchen) - die erinnern uns doch an jemanden. Wer war das bloß? Natürlich, das unvorsichtige Schneewittchen, das zum Biss in den Apfel verführt wurde und in einen todesähnlichen Schlaf fiel. Zum Glück wurde sie schließlich doch noch gerettet ...

... und somit verwundert es nicht, wenn gerade der Apfel, die Frucht des Sündenfalls, in seiner Vieldeutigkeit auch als Symbol der Rettung und der Erlösung gelten kann. So setzt Mechthild von Magdeburg in ihrer visionären Schrift Das fließende Licht der Gottheit das Kreuz mit dem Baum und Christus mit der Frucht, dem Apfel, gleich. Christus kann als Bräutigam der Seele auch zum Apfelbaum werden, der Schatten spendet.
Somit können Äpfel als Attribute von Maria (die durch die Geburt des göttlichen Kindes Evas Sünde heilte) und Jesus (als des 'neuen' Adams) als Symbol für die Überwindung der Sünde und die Erlösung verstanden werden.

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