Sælde und êre - Fachbücher aus unserer Bibliothek

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Kleiner Zwischenraum

Unerwartetes und Unterhaltsames ...

... in der Kunst des frühen und hohen Mittelalters

Weihnachten stellt traditionell eine ergiebige Zeit für unsere kleine Hausbibliothek dar. Einerseits finden sich in den kalten Wintermonaten vermehrt Gelegenheit und Muße zur Lektüre verstaubter biblophiler Schätze, andererseits sorgen auch die Verlage und Buchhandlungen vermehrt für Nachschubmaterialien. Und so kann ein nachmittäglicher Ausflug in die Wollzeile oder in die Schottengasse schon mal zu einer empfindlichen Be- lastung für den sorgsam gehüteten Geldbeutel werden. Insbesondere dann, wenn er im Kreise der trauten Familie erfolgt ...

Doch wollen wir nicht das Negative einer solchen Beschaffungsaktion herausheben. Immerhin treiben Begleit- personen bekanntlichermaßen nicht nur die Kosten in die Höhe, sondern eigenen sich auch bestens dazu, die erstandenen Bücher hinter dem Finanzier nachzuschleppen. Und so wandern mehr und mehr Schätze in die ohnehin schon berstend vollen Buchregale und man hat sich wiedereinmal den Kopf zu zerbrechen, wo denn die Neuankömmlinge ihre Heimstatt finden sollen.

Schade, dass dieses wunderbare Fest so schnell vergangen ist, denkt wohl nicht nur sie, ...

Ein solcher Neuankömmling, der hinsichtlich des Platzbedarfes keine allzu großen Anforderungen stellt, denn es handelt sich dabei um ein vergleichsweise schmales Büchlein von gerade mal knappen 170 Seiten, soll hier erwähnt werden. Unerwartetes und Unterhaltsames aus der Kunst des frühen und hohen Mittelalters ver- spricht das Werk, das im Deutschen Kunstverlag erschienen ist. Also erwarte man denn auch kein Geschichts- werk, das uns mit Jahreszahlen und geschichtlichen Ereignissen füttert, sondern Abbildungen von Miniaturen mittelalterlicher Handschriften oder von zeitgenössischen Kunstgegenständen präsentiert und kommentiert.

Was ist nun das Unerwartete, das uns im Buch vorgestellt wird? Tatsächlich haben wir, wenn wir mit dem Be- griff 'mittelalterliche Kunst' konfontiert werden, zumeist ein bestimmtes Bild vor Augen, insbesondere wenn es sich um Erzeugniss der frühmittelalterliche Epoche handelt: Die Kunst diente, so die Meinung, ausschließlich zur Verherrlichung Gottes, zur nachdrücklichen Unterstützung des Wort Gottes. Allenfalls finden sich neben Darstellungen biblischer Szenen und Heiligenbildern dann und wann auch mal Abbildungen von weltlichen Großen, Kaisern, Königen und Fürsten, aber auch die werden zumeist als treue, gottgefällige Diener des Herrn dargestellt.

Gerade hier setzt nun das Unerwartete ein, denn der Autor vermag an Hand ausgewählter Bildbeispiele zu demonstrieren, dass mittelalterliche Kunst nicht immer diese Erwartungen erfüllt, dass vielmehr an mancher- lei Stelle, in manch einer Handschrift Abbildungen auftauchen, die man sich so nicht erwarten würde. Da fin- den sich in den Malereien abgelegender Kirchen konkrete Landschaftsabbildungen, Initialen werden durch Figuren und Muster gebildet, deren Form und Aussage an vergangengeglaubte germanisch-keltische, jeden- falls nichtchristliche Traditionen zurückzuverweisen scheinen.

Die Darstellung kesser Bademädchen im durchsichtigen Kleidchen in der Wenzelsbibel verdeutlichen uns, wa- rum manche Kreise dem Baden durchaus Positives abzugewinnen vermochten und dass man das Mit- telalter nicht so ohne weiteres als 'schmutzige' Epoche verurteilen kann. Oder gerade doch - je nach Sichtweise! Von wegen christliche Sittenstrenge ... Und dass sich im Reliefschmuck christlicher Bauten manch humoristische Szene verbirgt, erfahren wir ebenfalls, überrascht und erheitert eine Abbildung bestaunend, auf der zwei niedliche Häschen gerade aller Erwartungshaltung zuwiderhandelnd den Spieß umdrehen und einen Jäger fesseln ...

So vermag das Buch tatsächlich manch Unerwartetes zu Tage zu fördern und dabei durchaus gut unterhalten, sei dies nun inhaltlich oder durch die Fülle an wundervollen Abbildungen, deren Mehrzahl man so noch nicht aus der handelsüblichen Mittelalterliteratur kennt, so man nicht ein Fachmann auf diesem Gebiete ist. Ein prominentes Plätzlein in unserer Bibliothek ist damit allemal wohlverdient - auch wenn ich momentan noch gar nicht weiß, wo ein solches noch zu finden wäre ...

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