Sælde und êre - Originalwerke

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Historia Langobardorum

Über den Autor:

Paulus Diaconus war ein langobardischer Schriftsteller, Gelehrter und später auch Mönch. Er stammte aus einer adeligen Familie, die in Cividale, Friaul, beheimatet war und mit den dortigen lombardischen Herzögen in Bezie- hung stand. Schon früh begann er mit dem Studium der lateinischen Sprache. Als Herzog Ratchis zum König des Langobardenreiches gewählt wurde, kam Paulus an den Hof zu Padua, wo der König residierte. Er genoss eine ausgezeichnete Ausbildung und da zu seinen Studien auch Griechisch, Literatur und Metrik gehörten, entwickelte sich Paulus bald zu einem angesehenen Gelehrten. Neben seinen klassischen Studien widmete er sich auch zu- nehmend der Theologie. Wann er die Priesterweihen annahm ist ebenso unsicher wie das genaue Eintrittsdatum in das berühmte Benediktinerkloster Monte Cassino (etwa 770), wohin sich auch König Ratchis nach seiner Ab- dankung 749 zurückgezogen hatte. Jedenfalls bot ihm das Kloster die ideale Umgebung, um seine Studien voranzutreiben.

Die eiserne Langobardenkrone, ein Geschenk der bairischen Herzogstochter Theodelinde an ihren Gemahl Agilulf, König der Langobarden

Als es 773/774 zum Krieg zwischen Franken und Langobarden kam, welche in der endgültigen Einverleibung des Langobardenreiches ins fränkische Imperium Karl des Großen endeten, wurde im Zuge dieser Auseinandersetz- ungen auch Paulus Bruder, der sich an einem Aufstand gegen den neuen Herrscher beteiligt hatte, gefangen- genommen und nach Norden deportiert, das Vermögen der Familie eingezogen. 781/782 begab er sich zu Karl, um die Pardonierung des Bruders zu erwirken - auch um damit die Situation dessen Familie zu verbessern. Dort kam ihm sein ausgezeichneter Ruf zugute: Der Frankenkönig gewährte ihm seine Bitte, jedoch erst nach langem Hinhalten und nur unter der Voraussetzung, dass Paulus an seinem Hofe blieb. Dort gehörte er nun für einige Zeit dem Gelehrtenkreis an und unterrichtete auch. Allerdings irritierten ihn die fremden Traditionen, vielleicht auch die in seinen Augen allzu lockeren Sitten lockeren Sitten und so wurde Paulus mit dem fränkischen Hof nie vertraut. Stets sehnte er sich nach seinem Heimatskloster zurück, wie seine Briefe aus jener Zeit zeigen, die auch interessante Einblicke in das Leben am Hofe Karls gibt:

... Ich lebe hier unter guten Christen, alle nehmen mich gut auf; Freundlichkeit wird mir um die Wette erwiesen um unsers Vaters Benedikt und um euretwillen. Aber im Vergleich mit eurem Kloster ist mir der Hof ein Ker- ker, gegen die Ruhe bei euch ist das Leben hier ein Sturmwind. Nur mit meinem armen schwachen Körper hänge ich an diesem Lande; mit ganzer Seele, die mir allein gesund ist, bin ich bei euch, und glaube bald euren ach so süßen Gesängen zuzuhören, bald mit euch im Speisesaal mehr am Vorlesen, als am Essen mich zu er- quicken, bald die verschiedenen Beschäftigungen eines jeden zu beobachten, bald zu sehen, wie es den Alten und Kranken geht, bald die heilige Schwelle zu betreten, die mir lieb ist wie das Paradies. Glaube mir, Herr und Vater, glaube mir du ganze fromme Schar: nur das Gefühl des Mitleids, nur das Gebot der Liebe, nur die För- derung der Seele hält mich hier für eine Weile, und was mehr ist als dies alles, unseres Herrn und Königs stille Macht. Sobald ich aber gesund bin und der Herr mir durch unsern gnädigen König die Nacht der Trübsal und meinen Gefangenen (Anm.: Paulus Bruder) das Joch des Elends abnimmt, werde ich gleich, sobald ich nur vom gnädigsten Fürsten Urlaub erhalten kann, zu euch ohne den allergeringsten Aufenthalt zurückwandern, und we- der Geld noch Gut, noch Schätze Goldes, noch irgend eines Menschen Liebe sollen mich von eurem Kreise trennen. ...
(Paulus Diaconus: Ausschnitt aus einem Brief an den Abt Theudemar von Montecassino, 783)

Dennoch verband ihn eine enge Freundschaft mit Karl, die auch nach seiner Abreise nicht erlosch. Um 785 kehrte er in sein Haimatkloster Monte Cassino zurück, wo er nun mit der Verfassung der 'Historia Langobardorum' be- gann, dass er aber vermutlich nicht mehr vollständig beenden konnte. Wie sein Geburtsdatum ist auch das Jahr seines Todes nicht sicher bekannt: Vermutlich starb er 797 oder 799 in Monte Cassino. Sein bekanntestes Werk dürfte er unvollendet hinterlasse haben.

Über das Werk :

Paulus verfasste eine große Anzahl von Werken (so etwa eine Römische Geschichte (Historia Romana) in zwölf Büchern, zahlreiche 'Auftragsarbeiten' für langobardische Fürsten und später den den fränkischen Hof, aber auch theologische Werke), jedoch stellt die 'Historia Langobardorum' seine bekannteste Schrift dar.

Die 'Geschichte der Herkunft der Langobarden', in der er neben eigenen Erfahrungen und mündlich tradierte Überlieferungen zusätzliche - damals noch verfügbare - Werke heranzog (etwa das Geschichtswerk des Abtes Secundus von Trient, aber auch Beda oder Gregor von Tours werden herangezogen), verdanken wir einen wesentlichen Teil unseres Wissens über die die Vorgänge im italienischen Langobardenreich. Dabei hat Paulus seine Quellen stets kritisch hinterfragt und keinesfalls ungefragt übernommen. Stets versucht er seine ver- schiedenen Quellen in Übereinstimmung zu bringen und sein kritisches Denken zeigt sich unter anderm an dem Zweifel, den er jener Sage entgegenbringt, welche berichtet, wie das Volk der Langobarden in grauer Vorzeit zu seinem Namen gekommen sei:

Im Namen unsers Herrn Jesu Christi! Hier beginnt die Urgeschichte unseres Langobardenvolkes.

Nämlich es gibt eine Insel, die Skadan genannt wird, das heißt im Norden, und da wohnten viele Völker. Unter diesen war ein kleines Volk, das man Winniler nannte, und bei ihnen war ein Weib mit Namen Gambara, die hatte zwei Söhne: der eine hieß Ybor und der andere hieß Ajo. Die führten mit ihrer Mutter Gambara die Herr- schaft über die Winniler.
Es erhoben sich nun gegen sie die Herzöge der Wandalen, nämlich Ambri und Afsi mit ihrem Volk und diese sprachen zu den Winnilern: "Entweder zahlet uns Zins oder rüstet euch zum Streit und streitet mit uns." Darauf antworteten Abor und Ajo mit ihrer Mutter Gambara und sprachen: "Es ist besser für uns, zum Streit uns zu rüsten, als den Wandalen Zins zu zahlen." Da baten Ambri und Afsi, die Herzoge der Wandalen, Godan [Anm.: Wotan, Odin], daß er ihnen Sieg verleihe über die Winniler. Godan antwortete und sprach. "Die ich bei Son- nenaufgang zuerst sehen werde, denen will ich den Sieg geben."
Zu derselben Zeit baten auch Gambara und ihre beiden Söhne Ybor und Ajo, welche die Fürsten der Winniler waren, Frea [Anm.: Freya], Godans Frau, dass sie den Winnilern helfe. Da gab Frea den Rat, wenn die Sonne aufgehe, sollten die Winniler kommen, und die Weiber sollten ihr Haar wie einen Bart ins Gesicht hängen lassen und mit ihren Männern kommen.
Da ging, als der Himmel hell wurde und die Sonne aufgehen wollte, Frea die Frau Godans um das Bett, wo ihr Mann lag, und richtete sein Antlitz gen Morgen und weckte ihn auf. Und als er aufsah, so erblickte er die Winniler und ihre Weiber wie ihnen das Haar um das Gesicht hing. Und er sprach: "Wer sind diese Langbärte?" Da sprach Frea zu Godan: "Herr, du hast ihnen den Namen gegeben, so gib ihnen nun auch den Sieg." Und er gab ihnen den Sieg, so dass sie nach seinem Ratschluß sich wehrten und den Sieg erlangten. Seit der Zeit wur- den die Winniler Langobarden genannt.
(Paulus Diaconus: 'Historia Langobardorum')

Dennoch lässt er damit sein Werk beginnen und bewahrt uns damit diese Sage und noch viele andere; einen reichen Fundus an mündlichen Erzählungen, Anekdoten und Sagen aus dem Volk, welche uns sonst wohl verlorengegangen wären. Somit sind uns die langobardischen Heldenlieder zumindest in dieser Form erhalten geblieben, während die Erzählungen so vieler anderer germanischer Völker leider verschollen sind.

Paulus Geschichstschreibung beginnt in mythischer Vorzeit und beschreibt die lange Wanderung des Langobar- denvolkes von der nordischen Heimat über Pannonien, die Eroberungen in Italien und die Ereignisse im Königreich und den Fürstentümern. Leider bricht seine Geschichte, die wiederholt auch über fränkische und byzantinische Angelegenheiten zu berichten weiß, genau in jener Zeit (im Jahre 744) ab, in der er selbst am meisten durch ei- gene Erfahrungen hätte beitragen können - vermutlich hat sein Tod eine Weiterführung verhindert.

Die Sprache des Werkes ist Mittellatein - also ein Latein, wie es im frühen Mittelalter gesprochen wurde und das nicht mehr das klassische Idiom eines Vergils oder Cäsars war. In dieser Sprache zeigt sich Paulus als Meister. Nur wenige Autoren seines Zeitalters kamen ihm darin gleich. Und stets flackern seine umfassende Bildung, die auf der Höhe ihrer Zeit stand, seine Belesenheit und die Kenntnis klassischer Werke auf. Darum ist es ein so großer Glücksfall, dass und die Geschichte des wilden, kriegerischen Germanenvolkes aus seiner Feder erhalten ist.

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