Saelde und êre - Meldungen aus Wissenschaft und Forschung

Wird aus wissenschaftlicher Sensation eine April-Ente?

Zum Originalbericht über Stroganoffs und Waschiswillis Theorie ..

Der von Sælde und êre am 1. April ins Netz gestellte Bericht über die sensationelle Theorie der beiden usbekischen Wissenschafter Dr. Wasilij Stroganoff und Dr. Platon Waschiswilli hat, wie nicht anders zu erwarten, beträchtliches Aufsehen in der Fachwelt er- regt. Nach reichlicher und eingehender Untersuchung müssen wir aber nun zu unserem Bedauern zugestehen, dass die Bekanntga- be der von Stroganoff und Waschiswilli behaupteten Zusammenhänge vielleicht etwas verfrüht war. Offensichtlich haben wir uns vom Enthusiasmus der Forscher anstecken lassen, ohne selbst hinreichend Nachforschungen in der Krim zu betreiben. Jedenfalls ist von unserer Seite eine Expidition an alle vakanten Lokalitäten in Planung, um endgültige Klarheit zu schaffen.

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Odessa - Ukraine:

Die beiden Usbeken hatten ja mit einer bahnbrechend neuen Theorie über das mittelalterliche Sittenleben an der Schwarzmeerküs- te aufhorchen lassen. Auffallend war dabei auch ihr erfrischend unkonventioneller Zugang zur vergleichenden Feldforschung gewe- sen, der sie so manche Nacht in verschiedenen Etablissements der Krim zubringen ließ! Anstrengungen und hoher körperlicher Ein- satz im Dienste der Wissenschaft - klar, dass diese Vorgangsweise die Kritik mancher Kollegen erregen musste, welche selbst nur daran gewöhnt sind, verstaubte Dokumente zu studieren.

Doch unabhängig von diesen Animositäten sind nun auch einige fachliche Kritikpunkte aufgetaucht, die nach einer genaueren Un- tersuchung verlangen. So kritisiert etwa der britische Mediävist Sir John Bottom-Willingsborough die Qualität der fotographischen Dokumentation des Fundortes. So könne man auf jenem Foto, welches angeblich die geographische Lage des Gräberfeldes zeigen soll (Sælde und êre veröffentlichte diese Abbildung), wegen der großen Distanz schlichtweg gar nichts erkennen. Vielmehr glaubt der Oxford-Professor nachweisen zu können, dass das abgebildete Skelett von einer anderen Fundstelle stammt, die etwa 40 km weiter östlich liegt. Dazu kann er auch eine entsprechende Fotographie (siehe unten) vorlegen, die dies belegen soll!

Hier nun soll die tatsächliche Fundstelle des Skeletts zu finden sein, wenn es nach Buttom-Willingsborough geht ...  Eindeutig seien zumindest noch zwei Gewandungsteile zu erkennen, meint der britische Forscher ...

Aber auch der Aussage der usbekischen Forscher, in den neuentdeckten Gräbern wären keinerlei Gewandungsreste entdeckt wor- den, widerspricht Bottom-Willingsborough. Er glaubt auf dem zweiten von Stroganoff und Waschiswilli veröffentlichten Foto nach intensivem Studium eindeutig Reste davon entdeckt zu haben. Allerdings räumt er ein, dass noch nicht hundertprozentig geklärt ist, welche Körperregionen die beiden muschelförmigen Teile denn eigentlich bedeckt hätten.

Außerdem, so ereiferte sich der Brite, habe er vor ihrem aufsehenerregenden Bericht noch niemals etwas von den beiden usbe- kischen Wissenschaftern vernommen. Ihre Namen seien ihm gänzlich fremd gewesen, so wie allen seinen Kollegen in Oxford auch. Schließlich habe auch eine Anfrage bei der Usbekischen Akademie der Wissenschaften ergeben, dass dort weder ein Dr. Wasilij Stroganoff noch ein Dr. Platon Waschiswilli bekannt seien. Allerdings hätte im Gebäude der Akademie bis vor kurzem ein Hausmeis- ter namens Wasja Stroganoff gearbeitet, der aber dann wegen seiner Alkoholprobleme entlassen wurde.

Man könnte diese Aussagen nun sicherlich als kleinliche akademische Streitereien abtun. Allerdings stimmt immerhin bedenklich, dass nur einen Tag nach Bekanntgabe der neuen Erkenntnisse durch die beiden usbekischen Forscher, diese selbst in einer kurzen Presseerklärung bekanntgaben, ihrer Forschungen auf der Krim nicht mehr weiter vorantreiben zu wollen. Was hat sie dazu bewo- gen, fragt sich die staunende Weltöffentlichkeit?

Natürlich fragte sich das auch Sælde und êre. Durch unsere guten Beziehungen zu den beiden usbekischen Mediävisten gelang uns schließlich, was momentan allen Presseagenturen verwehrt ist: Wir führten ein ausführliches Telefonat und konnten so die wahren Gründe für den Rückzug ergründen:

Die wissenschaftliche Welt sei einfach noch nicht bereit für eine derartig explosiv-neue Sichtweise, meinte ein hörbar betrübter und niedergeschlagener Stroganoff. Man habe sich einfach nicht diesen starken Gegenwind und die vielen Neidkomplexe erwartet. So zum Beispiel seien die von Bottom-Willingsborough als muschelförmige Gewandungsteile angesprochenen Utensilien eindeutig Ohrringe gewesen, wie man sich leicht vorstellen könne, sofern man nur über ausreichend Vorstellungskraft verfüge. Manchmal, so der Forscher, kämen aber bahnbrechende Theorien einfach noch zu früh und man wolle nicht deshalb am wissenschaftlichen Scheiterhaufen landen, nur weil man in der Öffentlichkeit auf der Richtigkeit seiner Meinung beharre. Aber die Zeit werde schon noch erweisen, wer denn nun recht hätte ...

Aber nicht der wissenschaftliche Widerstand sei es gewesen, der sie beide schlussendlich zum Einschwenken bewog, ließ an- schließend Waschiswilli im Gespräch durchklingen. Ausschlaggebend war vielmehr eine sehr emotionale Diskussion mit seiner und der Ehefrau des Kollegen, die nach Bekanntwerden der Sensationstheorie unvermittelt und überraschend auf die Krim angereist waren. Ein Forscher mag viel an Kritik ertragen, so der frustrierte Usbeke, aber wenn sogar die Unterstützung in der eigenen Fa- milie fehlt, dann hat das Weitermachen keinen Sinn ...

Swetlana Krutschkowaja und Ludmilla Astachowa, die Ehefrauen der usbekischen Mediävisten bei ihrer Ankunft in Odessa; das überraschende Eintreffen der beiden soll, glaubt man unbestätigten Gerüchten, nach einer emotional-dramatischen Diskussion in einem  Nachtclub den Ausschlag zur Aufgabe der Forscher gegeben haben ...

Eine verständliche Erklärung, wie wir meinen. Und dennoch verlangte es die journalistische Sorgfaltspflicht, wenn möglich, eine weitere Meinung einzuholen. Leider war es uns bis zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, mit dem anerkannten italienischen Exper- ten Dr. Achille Morellino Kontakt aufzunehmen, welcher sich ja so positiv zu den Erkenntnissen Waschiswillis und Stroganoffs ge- äußert hatte. Dem Vernehmen nach ist er bereits auf die Krim gereist, wo er eine heiße Spur in Form der Tänzerin Irina S. verfol- gen soll. Angeblich erwartet er sich dadurch genauere Enthüllungen über die Arbeitsweise in den mittelalterlichen Vergnügungs- stätten. Wir sind gespannt, was wir von ihm in nächster Zeit erfahren werden und bleiben jedenfalls an den Bällen ...

Abschließend sei noch angemerkt, dass es sich bei dem Gerücht, der ganze Artikel sei ein Aprilscherz - ein Gerücht welches nur aufgekommen war, weil sein Erscheinen rein zufällig auf den ersten April fiel - natürlich an sämtlichen Perückenhaaren herbeige- zogen ist! Obwohl natürlich der 1. April auch ein interessantes Thema wäre, findet sich doch bereits 1631 in Bayern der Begriff 'jemanden in den April schicken', während der Vorgang selbst jedoch noch weiter in die Vergangenheit zurückreichen dürfte. Wie es zu diesem Brauch gekommen ist und auf welche Ereignisse und Vorkommnisse er zurückgehen könnte, darüber ließe sich hier einiges an Kontroversem anführen. Aber wir sind der Meinung, dass sich das Thema 1. April nicht wirklich mit derartig seriösen Berichten aus dem Bereich der Mittelalterforschung, wie dem hier besprochenen, verträgt. Darum soll auch an dieser Stelle Schluss mit dem Unsinn sein ...

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