Saelde und Ere - Wissenswerte zu Speis und Trank

Überlebensnotwendig und reichtumsbegründend: Konservierungsmethoden im Mittelalter

Mittelalterlicher Schlachttag; Abbildung aus dem Tacuina Sanitatis, 14. Jahrhundert

Zurück zur Übersicht Speis und Trank, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite

Kleiner Zwischenraum

Wer sich erdreistet, über mittelalterliche Kochgewohnheiten zu schwadronieren - so wie wir von Sælde und êre dies in regelmäßigen Abständen zu tun pflegen, - wird es nicht mit der Beschreibung diverser mehr oder weniger korrekt wiedergegebener Rezepte bewenden lassen können. Zwar mag der Gang zum nächsten Markt, zu den dort eifrigst beworbenen Obst- und Gemüseständen mit ihren oft exotischen Angeboten, zum Gewürzegroßhändler ausreichen, um uns mit allem Nötigen für die Erstellung einer hinreichend altertümlich Menüfolge zu versorgen.

Doch muss uns eines dabei bewusst sein: Die eine mittelalterliche Küche hat es nie gegeben! Zu unterschiedlich waren Versorgungslage und Essgewohnheiten - gesondert nach Stand und Geographie, nach Jahreszeit, nach Fest- oder Alltag, abhängig zudem von politischen Umständen und - natürlich - vom Wetter. So konnten Gewitter und Hagel die Getreideernte in Minutenschnelle zur Gänze vernichten, so konnte der Ausbruch eines fernöstlichen Vulkans und die infolge der ausgestoßenen Aschemaßen verursachte Klimaänderung zu mehrjährigen Missernten und in derem Gefolge zu katastrophalen Hungersnöten unter der Bevölkerung führen.

Solche Ernteausfälle mochten im Falle von Unwettern bloß lokal beschränkt sein - und doch die davon Betroffenen in tiefe Not stürzen. Schließlich besaß man, hätte man dies auch gewollt, unter anderem bis ins hohe Mittelalter hinein noch gar nicht die Infrastruktur und die notwendigen Transportmittel, um die verderblichen Lebensmittel rasch genug in die benötigten Landstriche zu befördern. Wer hätte auch zu Frühjahrsbeginn noch über genügend Vorräte verfügt, um seinen notleidenden Christenbrüdern damit zu Hilfe eilen zu können?

Es gab die Zeit der Ernte, es gab die Zeit der Schlachtung. Letztere fand üblicherweise einmal im Jahr, im Spätherbst oder bei Einbruch des Winters statt, wenn nämlich das Futter knapp wurde und weil darum ohnehin nicht alles Vieh über die kalte Jahreszeit gebracht werden konnte. Alles was verwertbar war, wurde von der bäuerlichen Bevölkerung, immerhin die satte Mehrheit der mittelalterlichen Gesellschaft, auch verwertet - unsere Blutwurst weiß immer noch ein Lied davon zu singen!

Ein Festmahl zum Schlachttermin - alles andere musste zumindest dafür reichen, um als kalorienreicher Ergänzung, an Festtagen zum Obst, den Äpfeln, Birnen und Beeren und zum allgegenwärtigen Kraut, den Winter zu überstehen helfen. Wie aber das Fleisch, wie die Lebensmittel überhaupt haltbar machen, wenn statt der Kühltruhe allenfalls ein unterkühlter Burgkeller zur Verfügung steht? Was tun mit Obst und Gemüse?

Nun, der mittelalterliche Mensch verwendete all die Methoden zur Haltbarmachung, welche bereits die Antike gekannt hatte. Oft handelt es sich dabei um Verfahren, mit denen den Lebensmitteln ein größerer Teil ihres Feuchtegehaltes entzogen wird, um solcherart schädlichen Keimen den Nährboden zu entziehen. Aber auch andere Methoden kamen zum Einsatz.

Als erste und am häufigsten verwendete Methode ist dabei das Dörren zu erwähnen, das auf verschiedenste Lebensmittel, von Hülsenfrüchten über Fisch bis zum (mageren) Fleisch, aber auch für Obst wie Äpfel, Birnen und Kirschen, angewendet werden kann. Ob der Einfachkeit reicht ihre Anwendung wohl weit in die Kulturgeschichte der Menschheit zurück. Kein Feuer, keine Konservierungsmittel sind vonnöten, es genügt die trocknende Kraft der Sonne oder, in sonnenärmeren Gegenden, jene des Windes, wie er etwa in Skandinavien zur Trocknung von Stockfisch und Dorsch verwendet wurde. Wenn die Luftfeuchte ausreichend gering ist, können Lebensmittel auch in geschlossenen Räumen wie Dachböden und Kellern getrocknet werden.

Günstiger Fisch, wie etwa der Hering oder der Kabeljau stellten einen wichtigen Beitrag zur Ernährung großer Teile der damaligen Bevölkerung, zumal in Fastenzeiten, dar. Durch Einsalzen, bei Zugabe von Nitrit auch Pökeln oder Suren bezeichnet, (meist auch in Kombination zum vorangehenden Trocknen) wurde die flüssigkeitsziehende und auch antibakterielle Wirkung des Salzes benutzt, um jene Haltbarkeit sicherzustellen, welche den zeitaufwendigen Transport der Fischware ins europäische Binnenland erst ermöglichte.

Man unterscheidet bei diesem Verfahren zwischen Nass- und Trockenpökeln. Bei ersterem Verfahren werden die zu konservierenden Lebensmittel in die Salzlake eingelegt; durch Osmose diffundiert das gewebeeigene Wasser solange, bis sich die Salzkonzentrationen in Lake und Lebensmittel angeglichen haben, was etwa vier Wochen an Zeit für den Pökelvorgang erfordert.

Beim Trockenpökeln hingegen wird das Lebensmittel mit Pökelsalz eingerieben und schichtenweise gelagert. Dadurch, dass ausschließlich die Gewebsflüssigkeit zur Bildung der Eigenlake verwendet wird, ist ein höherer Trocknungsgrad und damit auch eine höhere Haltbarkeit erzielbar - was allerdings durch eine längere Dauer des Pökelvorganges selbst (bis zu sechs Wochen) erkauft wird.

Das Räuchern oder auch Selchen stellt eine weitere Konservierungsmethode vorwiegend für (fettes) Fleisch, Wurstwaren und Fisch dar. Die vorab eingesalzenen beziehungsweise gepökelten Lebensmittel werden dabei über längere Zeit dem Rauch von Holzfeuern ausgesetzt; nebst dem konservierenden Effekt lassen sich dabei auch der Geschmack und das Aussehen der Räucherware beeinflussen.

Werden Lebensmittel in einem Sud aus Essig, der mit verschiedenen Gewürzen angereichert sein kann, so eingelegt, dass der Sud diese Lebensmittel - verschiedenste Gemüsesorten wie Gurken, Zwiebel, Kürbis aber auch Heringe und Eier - dann spricht man vom Einsäuern. Je besser der anschließende Luftabschluss erfolgt, je dunkler und kühler die Lagerung erfolgt, umso länger kann die Haltbarkeit (bis zu einem Jahr) werden. Eingelegt werden kann aber auch in Salzwasser oder - wie in Mittelmeerländern üblich - in Olivenöl.

Wo Kosten keine Rolle spielten, etwa an den Höfen der Fürsten oder in den Häusern begüterter Patrizier, wurden Lebensmittel wie Schinken oder auch Früchte in Honig, Fett oder Zucker zu Leckerbissen gegart. Die weniger bevorzugte Bevölkerung wiederum, die von solchen Gaumenfreuden allenfalls träumen mochte, konnte wenigstens den Nährstoffreichtum fetthaltiger Sommermilch in Form von Käse oder gesalzener Butter in den Winter retten, musste sich ansonsten aber meist mit eingekochtem Gemüse über Wasser halten, dem allenfalls hin und wieder ein Stück Speck etwas Würze verlieh.

Abschließend lässt sich sagen, dass es meist ein Kombination mehrerer der oben angesprochenen Verfahren war, durch welche Lebensmittel wie der Hering oder die Makrele soweit konserviert werden konnten, dass der weiträumige Transport damit überhaupt erst machbar wurde. Nicht zuletzt dieser überregionale Handel von Lebensmitteln, aber auch des in großer Menge zur Haltbarmachung benötigten Salzes war es, der mit der dazu benötigten Entwicklung von passender Infrastruktureinen (Handelswege, Brücken, Kontore, ...) den großen Aufschwung mitbewirkte, den das Hochmittelalter in wirtschaftlicher Hinsicht mit sich brachte ...

Kleiner Zwischenraum

Zurück zur Übersicht Speis und Trank, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite

© 2015, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten