Sælde und êre - Der Kräutergarten

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Der Sellerie

'Wenn Frau wüsste, wie gut der Sellerie dem Manne tut,
würde sie danach suchen von Paris bis Rom'
(Altes französisches Sprichwort)

Unscheinbar treibt der wilde Sellerie, doch er hat es in sich ...

'Quamvis in nostris apium vilesceret hortis,
Et solo id multi prodesse sapore putarint,
Plura tamen propiis medicamina viribus acri
Exhibit auxilio. ... '

'Zwar ist in unseren Gärten der Sellerie schon ganz wohlfeil geworden, und viele meinen, er eigne sich einzig dem Wohlgeschmack, so schenkt er doch aus eigener Kraft zahlreiche Mittel zu wirksamer Hilfe. Denn nimmst du seinen Samen zerrieben ein, so soll er, wie man sagt, die quälenden Leiden der Blase beheben. Isst man jedoch die Knolle selbst mitsamt ihrem zarten Trieb, so verdaut sie jene Speisen, die noch im Mageninneren rumoren. Wenn diesen Herrscher unseres Leibes würgender Brechreiz quält, trinke man sogleich Sellerie mit hebem Essig und Wasser; dann wird die Übelkeit, vom rasch wirkenden Heilmittel besiegt, weichen. '
(Aus Walahfried Strabo: 'De cultura hortorum' (Über den Gartenbau))

Dem Sellerie (lat.: Apium, österr.: Zeller) werden wohl nur wenige unserer Leser einen ähnlichen Ruf zubilligen wie etwa der Lilie oder der Rose. Dass die meisten Zeitgenossen auch im Mittelalter genau- so dachten, geht aus Walahfrieds Text hervor. Zweifelsohne besitzt die Pflanze große Nützlichkeit in der Küche und an ihrem Geschmack erfreuen sich viele (mit Ausnahme von Kindern - aber die mögen ja grundsätzlich kein gekochtes Gemüse). Davon zeugen nun zahlreichen Rezepte, althergebrachte oder auch neue ...

Übrigens wurde in Antike und Mittelalter noch eine Wildform des Selleries verwendet und erst im 16. Jahrhundert jene Form gezüchtet, die wir heutzutage stolz im eigenen Garten ernten - oder im Su- permarkt einkaufen.

Doch hinter der Pflanze steckt mehr als unser Gaumen im ersten Moment vermuten würde - und da- von weiß auch Walahfried zu berichten. Allen Selleriearten, ob es sich nun um Knollen-, Stauden- und Schnittsellerie handelt, gemeinsam ist, dass es sich um ein ausgesprochen gesundes Gemüse handelt (eine Aussage, die aber bei den lieben Kleinen selten etwas fruchtet), deren Inhaltsstoffe blut- und darmreinigend wirken und die (Achtung: Geheimtipp) den Abbau von Stresshormonen bewirken. Also, frischauf ein oder zwei Sellerieknollen geknabbert und schon schwebt es sich ganz leicht zur nächs- ten Prüfung oder zum entscheidenden Bewerbungsgespräch ... Nebenbei wird durch die enthaltenen Vitamine das Imunsystem gestärkt, ebenso wie der Magen, was ja bereits unser mittelalterlicher Ge- währsmann erwähnt.

Aber Achtung, was Wahlafried nicht erwähnt, ist die erotisierende Wirkung des Selleries. Übertreiben Sie es also nicht mit dem Knabbern, sonst verläuft das Bewerbungsgespräch vieleicht anders als ge- plant ... Auf diese Wirkung, so scheint es, spielt auch das anfänglich zitierte französische Sprichwort an - von wegen selbstloses Bemühen der Frauen, ihren Männern gesundes Gemüse zu besorgen! Die Kombination von Lauch und Sellerie in Salatform soll übrigens so explosive Wirkung zeigen, dass sie lange auf dem Index vieler Klöster stand - schließlich meinte man, sie 'rufe unsaubere Gedanken her- vor'!

Madam Pompadur, bekanntlich die Favoritin von Ludwig XV, soll sich den Lauch zu fast jeder Mahlzeit servieren haben lassen - sei es als Suppe oder Gratin oder in ausgefallenerer Form - etwa kombiniert mit Trüffeln und Kakao. Ob dies nun geschehen ist, um ihre Stresshormone abzubauen oder vielleicht eher doch, um andere Hormone aufzubauen, darüber können wir sie nun leider nicht mehr befragen ...

Diese traurige Tatsache bringt uns abschließend zu einem weiteren Aspekt des Selleries. Denn in der griechischen Antike wurde die Pflanze nicht nur mit Erotik, sondern auch mit dem Tod assoziiert. So gesund der Zeller auch sein mag, alleinigen Genuss über längere Zeit hinweg, würden wir somit nicht empfehlen - einerseits wegen der bereits erwähnten Wirkungen, andererseits wegen eines weiteren, diesmal antiken Sprichwortes über Todkranke, das besagt:

'Es gibt nur noch Sellerie für ihn!'
(Römisches Sprichwort)

Mit diesem Wissen hört es sich dann doch etwas befremdlich an, wenn wir denn von einem Bekann- ten erzählt bekommen, er mache eine Kur, bei der es nur noch Sellerie ... nun ja. In der Antike galt der Sellerie jedenfalls als Speisebestandteil, der zum Leichenschmaus gehört ...

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