Saelde und Ere - Mittelhochdeutsche Originaltexte

Ave, vil liehtû maris stella ... Teil2

Maria mit dem Jesuskind - Kirchenfresko aus dem 12. Jahrhundert

Fortsetzung und Abschluss der berühmten Mariensequenz aus dem Kloster Muri, deren Entstehungsdatum in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert wird ...

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Zum ersten Teil der Mariensequenz ...

Mariensequenz, Teil2

Du bist allein die Pforte des Heils.
Du wurdest schwanger vom Wort:
Dir kam ein Kind,
Herrin, durch dein Ohr,
dem Christen, Juden und Heiden eigen sind,
und dessen Gnade immer ohne Ende ist.
Edelstein aller Jungfrauen,
das Kind erkor dich zur Mutter.

Deine Würde ist nicht gering.
Trugst du ja, reinste Jungfrau
das lebendige Brot:
Gott selbst war es,
der seinen Mund an deine Brust legte,
und deine Brust in seine Hände nahm.
Oh Königin,
welche Gnade hat dir Gott erwiesen!

Lass mir zugute kommen, wann immer
ich dich anrufe,
dass ich, Maria, Herrin,
glaube und
an dir erkenne,
dass niemand im Guten leugnen kann,
du seist nicht die erbarmende Mutter.

Lass mir zugute kommen, was du je begingst
in dieser Welt an deinem Sohn,
wenn du ihn
mit den Händen zu dir nahmst.
So wohl dir des Kindes wegen!
Hilf mir um seinetwillen:
Ich weiß wohl, Herrin,
du wirst ihn milde finden.

Deiner Bitte mag sich dein lieber Sohn
nie verschließen:
Bitte ihn darum, dass er mir
wahren Frieden verleihen möge.

Und dass er durch den grimmen Tod,
den er um der Menschheit Willen litt,
menschliche Not ansehe.

Und dass er durch die drei Namen
seinem christlichen Geschöpf
gnädig in seinen Sünden sei.

Hilf mir, Herrin,
wenn meine Seele von mir scheidet,
dann komm ihr zu Hilfe,
denn ich glaube, dass du bist
zugleich Mutter und Jungfrau.

Mariensequenz, Teil2

Dû bist allein der sælde ein porte.
jâ wurde dû swangir von worte:
dir cham ein chint,
frouwe, dur dîn ôre,
des cristin, Judin unde die heiden sint,
und des ginâde ie was endelôs,
allir magide ein gimme,
daz chint dich ime zi muotir kôs.

Dîn wirdecheit diu nist niet cleine.
jâ truoge dû magit vil reine
daz lebend brôt:
daz was got selbe,
der sînin munz zuo dînen brustin bôt
und dîne bruste in sîne hende vie.
ôwê, kuniginne,
waz gnâden got an dir bigie!

Lâ mich geniezin, swenne
ich dich nenne,
daz ich, Maria frouwe,
daz giloube unde daz
an dir irchenne,
daz nieman guotir mach des virlougin,
dû ne sîest der irbarmide muotir.

Lâ mich geniezin des dû ie bigienge
in dirre welte mit dîme sune,
sô dû in mit den handin
zuo dir vienge.
sô wol dich des kindes!
hilf mir umbe in:
ich weiz wol, frouwe,
daz dû in senftin vindes.

Dînir bete mach dich dîn lieber sun
niemir verzîhin:
Bite in des, daz er mir
wâre rûwe muoze virlîhîn,

Unde daz er dur den grimmen tôt,
den er leit dur die mennischeit,
sehe an mennisclîche nôt,

Unde daz er dur die namin drî
sîner cristenlîchir hantgitât
gnædîch in den sundin sî.

Hilf mir, frouwe,
sô diu sêle von mir scheide,
sô cum ir ze trôste:
wan ich giloube, daz dû bist
muotir und magit beide.

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