Saelde und Ere - Aberglaube oder: Mit wunderlichen sachen ler ich si denne machen ...

Von Geistern, Wiedergängern und anderem Unheimlichen, Teil 1: Zur Etymologie des Gespensterbegriffes ...

In den Kellern alter Gemäuer, wie hier in jenen der Burg Rappottenstein, kann einem schon einmal eiseskalter Schauer ob unheimlicher Erscheinungen überrieseln ...

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Was wäre denn eine Rubrik 'Aberglaube' auf einer Webseite mehr wert denn eine Kutsche ohne Rösser oder ein Bogen ohne Sehne, wenn sie sich nicht auch eines der wesentlichsten Phänomene annähme, das eben diesen Glauben an Übersinnliches, das die Phantasie der Menschen so wesentlich zu befeuern verstände wie die allen Kulturen gemeinsame Erscheinung (im wahrsten Sinne des Wortes) des guten (oder häufig auch weniger guten) alten Gespenstes!

So haben wir uns ja hier in diesem Rahmen bereits mit so wesentlichen Angelegenheiten wie dem Minnezauber beschäftigt oder auch mit dem nicht weniger wichtigen Umstand, wie denn schütterer Haarwuchs wieder beflügelt werden - und damit einhergehend der besagte Einsatz von Liebessprüchen reduziert werden könne! (Und ja, seid dessen versichert, wir werden euch irgendwann auch noch jene Rezeptleyn zur Verfügung stellen, deren ihr benötigt, um mit der nötigen Ausdauer derartige Angelegenheiten zum befriedigenden Ende zu führen - dann erst, wenn diese Rezepturen ausreichend überprüft; es hat also keinen Sinn, uns vorab andauernd darob zu bestürmen!)

Doch manch Nacht bringt weniger angenehme Besucher mit sich als das herzerwärmende feingliedrige Mägdelein oder den kraftstrotzenden Rittersmann, durch dessen Adern feurigheißes Blut pocht! Darum ist es hoch an der Zeit, dass wir uns auch mit derartigen unerwünschten Gästen wie Geistern und Wiedergängern befassen, mit Gespenstern also und auch mit jenen Mitteln, die uns in die Lage versetzen, solche Gesellen (und Gesellinnen, denn nicht selten handelt es sich um Besucher des vorgeblich schwachen Geschlechtes, ein Umstand, der zwar dem einen oder anderen männlichen Leser vorerst recht vorteilhaft in den Ohren klingen mag, sich dann bei tatsächlichem Eintreten jedoch alsbald als unerfreulich eisige Angelegenheit erweisen mag!), derartige Manifestationen des Übersinnlichen also raschest von der Schwelle zu bannen!

Ob der bei aller Universalität so vielgestaltigen Erscheinungsformen der meist nächtlich umwandelnden Gespenster Herr zu werden, benötigt es allerdings mehr als nur eines Artikels - wir werden diesem Umstand mit einer Serie von Beiträgen zu (ätherischem) Leibe zu rücken versuchen obwohl wir selbst dann kaum in der Lage sein werden - und dabei malen wir beileibe keine Gespenster an die Wand! - allen Umständen auch nur ansatzweise Rechnung tragen zu können! Doch sind wir der festen Meinung, dass ein erster Schritt gemacht werden muss - auch um eurer Sicherheit wegen, damit ihr denn den rechten Umgang Ton zu treffen vermögt bei solch einer mitternächtlichen Begegnung.

Bevor wir uns aber mit den Sitten und Gebräuchen befassen oder auch mit den Gründen, die dem unsteten Umherwandeln dieser Geschöpfe zugrunde liegen, wollen wir uns ein wenig mit dem Herkunft des Begriffes, also mit der Etymologie des 'Gespenstes' vertraut machen; denn wie so häufig, hat auch dieses Wort, das weit in die Zeiten des Althochdeutschen sich zurückverfolgen lässt, in seiner Reise über die Jahrhunderte eine bedeutsame Begriffswandlung erfahren. (Nicht vergessen wollen wir an dieser Stelle schon anzumerken, dass sich Gespenstererscheinungen unabhängig von allen Begrifflichkeiten bereits weit darüber hinaus bis in die Frühgeschichte des Menschen zurückverfolgen lassen ...)

Was lehrt uns also die Etymologie? Folgendes: Das Gespenst soll sich auf das althochdeutsche Verb 'spanan' bzw. das Mittelhochdeutsche 'spanen' zurückführen lassen, welche soviel wie 'verlocken, reizen, überreden' meinten. Ahdt. 'spenstig' steht für lockend und verführerisch, mhdt. 'gespenstec' ebenfalls für verführerisch - aber auch zauberisch, womit bereits ein gewisser Bogen gespannt zu sein scheint.

Diesen Begriffen zugehörig waren Substantive wie ahdt. 'spanst, gispanst, gispensti' bzw. mhdt. 'spanst, gespanst' oder auch schon 'gespenst'. Vorerst noch in der recht wertfreien Bedeutung von 'Eingebung, Beredung, Sinnenreiz Verlockung, Verführung'. Ein Gespenst bezeichnet also eigentlich etwas, das jemanden wegzieht, weglockt, ihn vom (rechten) Wege abbringt. Somit verstehen wir auch die Herkunft unserer heute noch gebrauchten Begriffe 'abspenstig' und 'widerspenstig', die beide den Wortstamm im ursprünglichen Sinn erhalten haben. Denn was anderes bedeutet 'ihm die Freundin abspenstig machen', als sie durch Überredung (oder diverse andere Maßnahmen - siehe dazu den Abschnitt 'Minnetränklein' an anderer Stelle - zum Wechsel zu verlocken ...

Dass solche Begriffe in einer Epoche, in der die Kirche und die von ihr vermittelten Wert- und Moralvorstehungen so großen Einfluss auf die Menschen ausüben, rasch in enge Assoziation mit dem teuflischen Verführer gesetzt werden, scheint nur zu verständlich. Und so findet man in Schriften des späteren Mittelalters, etwa in den Formeln überlieferter Beichtbücher, nicht selten Formulierungen wie 'von des teufels gespenste', womit nicht vor gräulichen Unholden in Luzifers Umgebung, sondern vielmehr vor seinen Verlockungen und Versprechungen (von denen wir aus Märchen und Sagen nur all zugut wissen) gewarnt werden soll.

Doch genug an Geisterhaftem für diesemal. Schließlich wollen wir euch nicht zu viel des Grusels an einem Stück zumuten. Wann und wie sich sich der Begriffswandel zu unserer Bedeutung des Gespenstes vollzog, vor allem aber, was die mittelalterlichen Gelehrten und auch Aventiurendichter zum Erscheinen dieser unheimlichen Wesenheiten zu sagen wussten, das soll den Fortsetzungen unserer Serie vorbehalten bleiben; die folgende könnt ihr hier erlesen ...

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