Saelde und Ere - Aberglaube oder: Mit wunderlichen sachen ler ich si denne machen ...

Von Geistern, Wiedergängern und anderem Unheimlichen, Teil 2: Was wir denn gemeinhin unter einem Gespenste verstehen ...

Wer sagt, dass es immer todernst zugehen muss, wenn es um Übersinnliches geht? Wie so oft kann auch bei dieser Thematik Humor eine entspanntere Sicht der Dinge vermitteln ...

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Also haben wir uns - nach einer ersten etymologischen Sitzung, in der wir uns der Sache, oder wie auch immer man die Objekte (sind es solche?) unserer Untersuchung nennen wollen, von der Worthistorie her zu nähern suchten - haben wir uns also hier erneut zusammengefunden, um uns dem Okkulten ein Stück weiter vertraut zu machen indem wir seine populärsten Manifestationen im Gespräche zu ergründen suchen.

Bevor wir jedoch, uns an den klammfeuchten Händen fassend und derart einen Kreis bildend, mit unserer gelehrten Disputation zu beginnen gedenken - habt nicht Sorge um die Verzögerung; es ist noch reichlich Zeit bis zur einsamen Mitternacht -, wollen wir uns erst der wichtigsten Regel entsinnen, die einer, der recht gewichtig zu sprechen gedenkt, stets zu beachten hat, ehe er die Lippen zum ersten Spruche öffnet: Die nämlich, dass es vorab immer von großer Bedeutsamkeit sei, das Objekt der Diskussion recht eindeutig zu bestimmen, damit nicht nur um schöner Worte wegen gesprochen werde, sondern sich auch ein Sinn aus der nicht selten langen Rede ergebe - ein Umstand übrigens, der auch dem einen oder anderen unserer Staatenlenker gut zu Munde stehen würde.

Also müssen wir uns dem Gespenst erneut zu nähern suchen, obwohl es doch von so flüchtiger Beschaffenheit ist, dass uns seine ätherische Beschaffenheit stets zwischen den Fingern zu zerinnen scheint, wenn wir es just gefasst zu haben glauben. Denn jene, von uns zuletzt getätigten Untersuchungen zur Herkunft seiner Begrifflichkeit vermochte keinen zufriedenstellenden Aufschluss über seine exakte Beschaffenheit und Befindlichkeit zu geben - allenfalls eine gewisse Ahnung. Und die Bestätigung, wie sich Wortbedeutungen über verschiedenen Zeiten zu ändern vermögen.

Doch wenn es schon nötig ist, eine Reise durch die Epochen anzutreten, um einem Phänomenen mehr als nur auf die Spur zu kommen, dann soll die Reise hier begonnen werden, beim modernen aufgeklärten Menschen, der höchstens noch dann Furcht vor dem Unfassbaren empfindet, wenn es ihm in der abgelegenen Einsamkeit einer sturmumtosten Schlossruine jammernd und heulend, kettenrasselnd vielleicht gar, als eisiger Schauer entgegenweht.

Wie aber würden jene, denen das Vergnügen einer solchen Begegnung noch nicht zuteil geworden, das, was gemeinhin als Gespenst bezeichnet wird, charakterisieren? Was verstehen wir unter dem Begriff? Ist es eine Wesenheit von - nicht selten unvollständiger - menschlicher Gestalt? Oder zählen wir dazu auch schaurig-tierische Manifestationen? Oder reichen gar Geräusche und schwebende Objekte und somit Unsichtbarkeit für die Klassifikation?

Oder weisen wir dem Poltern nicht eher einen Geist als Verursacher zu? Wie aber unterscheiden sich Geist und Gespenst voneinander? Gibt es überhaupt Unterschiede oder meinen beide Bezeichnungen üblicherweise nicht doch dieselben, wenn auch in ihrer Gesamtheit in sehr unterschiedlichen Formen auftretenden, Erscheinungen? Und was heißt dann Spuk? Zweifelsohne erkennen wir bereits jetzt, kaum dass wir die ersten Gedanken geäußert haben, wie diffus die umgangssprachlich gebräuchlichen Benennungen sind, wenn es darum geht, den rätselhaften, meist nächtlichen Begegnungen auf die Fährte oder gar blutige Spur - Gott bewahre; jeder Schlossherr, der schon einmal den Kamin im Herrenzimmer von solch rostroten Flecken reinigen musste, weiß, wie hartnäckig sich diese Angelegenheit hinziehen kann! - zu kommen!

Was aber tun, wenn es nicht gelingt, etwas - wir wissen ja gar nicht einmal, wie wir das Objekt unserer Untersuchung in einem einzigen Wort beschreiben sollten: Wesenheit, Flüchtigkeit, Nichts? -, dieses Etwas, worüber man sprechen möchte, eindeutig in Worten zu definieren? Nun, in einem solchen Fall versucht man gemeinhin, alle als wesentlich erachteten Eigenschaften einzusammeln und hinter dieser Aneinanderhäufung aus sich ergänzenden und nicht selten auch widersprechenden Charakteristika das wahre Wesen des untersuchten Objektes zu erahnen ...

Los also! Wolle man erkennen, was Sache sei, möge man nicht den Wissenschaftern aufs Statistikformular sondern dem Volk aufs Maul schauen, wusste so oder so ähnlich ja bereits der inzwischen selbst schon vergeistigte Martin Luther - und so werfen wir, in der Hoffnung, derart etwas Orientierung zu finden, einen ersten, flüchtigen Blick auf die Vorstellungen des Volksglaubens. In denen finden sich recht viele, wenn auch recht unterschiedliche, das Spuken und Herumgeistern begleitende Erscheinungen benannt.

Bei allen Unterschieden herrscht jedoch Einigkeit darin, das Geister übernatürliche oder jenseitige Wesen sind; übersinnlich, jedoch nicht göttlicher oder engelhafter Natur und auch nicht (mehr) menschlicher. Sie besitzen keinen materiellen Körper - ein Umstand, der sie befähigt, auch die dicksten Wände oder Türbohlen zu durchqueren und recht unempfindlich gegenüber physikalische Gewaltanwendung macht. Es hilft euch also nichts, ihr lieben Maiden und Jünglinge, die ihr das lest, nächtens den Riegel vorzulegen oder aber die Fliegenklatsche bereitzuhalten.

Obwohl sie also materiell gar nicht vorhanden sind (und somit nach physikalischer Schulweisheit gar kein Gewicht besitzen dürften; eine lächerliche Behauptung der Wissenschaft übrigens, wenn man den Berichten jener Unglücklichen glaubt, die schon einmal einen Aufhocker unentgeltlich durch die Nacht beförden mussten!), so scheinen sie doch einen Willen und auch übernatürliche Kräfte zu besitzen und somit auch die Möglichkeit auf die physische Welt einzuwirken, vor allem aber auch in Kommunikation mit den Lebenden treten zu können.

Das tun sie dann in recht differierenden Aufsformungen: Kopflose Menschenähnliche geistern ebenso an Kreuzwegen und durch alte Gemäuer wie nebelhafte, formlos zerfließende Schemen, schwarze Hund und weiße Damen. Schaurige Stimmen bescheren schlaflose Nächte und küsswütige Schlangen, küsswütige Schlangen ... nun, die wollen geküsst werden ... Doch damit betreten wir bereits das Gebiet der Einzeluntersuchungen und verlassen ; für dieses Mal möge es uns die Erkenntnis reichen, wie vielfältig sich die Geisterwelt dem Menschen darzustellen versteht. Als Hausübung, bis zu unserem nächsten Wiedertreffen im okkulten Kreis, mögt ihr euch das eine oder andere Märchen zu Gemüte führen und dort besonders auf die Erscheinung von Geistern und Gespenstern achten ...

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